kpw-photo: Sozialdokumentarische Photographie
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Der Briefkasten und die "innere Landnahme"
Stand: 2.1.2017
Im Jahre 2011 sah es zwischen DT und Max-Planck-Gymnasium so aus
Im Laufe des Jahres 2016 hat die Post einen Briefkasten abgebaut und die Telekom die Fernsprechsäule demontiert.
Die Veränderung in der Gesellschaft, die hinter diesem Bild steckt, soll hier nur kurz angesprochen werden: der staatliche Betrieb folgte auf eine lange Phase privater Post und nahm dann die neuen Telekommunikationsmittel Telegraphie und Telephonie unter seine Regie. In seinen Tätigkeitsfeldern machte sich der Staat zum einzigen Anbieter. Viele Beschäftigte waren Beamte. In der Bundesrepublik gelangt es den Postbeschäftigten mit Hilfe ihrer Gewerkschaft und auf Basis einer spezifischen Arbeitsmarktsituation, die Lohn- und Beschäftigungsverhältnisse erträglich zu gestalten, auch wenn das Tätigkeitsfeld - gerade im Bereich der Brief- und Paketpost - nicht die Produktivitätssteigerungen erlebte wie die fordistische Industrie. - Theoretisch gesprochen war das Feld der Telekommunikation der Kapitalverwertung entzogen; inzwischen steht dieses Feld wieder als Anlagesphäre zur Verfügung und steht so für die "innere Landnahme". Durch die Form der Privatisierung haben sich zudem die Bedingungen der Interessenvertretung massiv verändert, und zwar verschlechtert. Dies in aller Kürze.
 
Vieles spricht dafür, dass der soziale Inhalt des Bildes von jemand leichter zu erfassen ist, der noch die alte Situation mit der Deutschen Bundespost bewußt erlebt hat: das Stichwort "Privatisierung" müßte dann schnell fallen. Die Veränderungen in der Situation der Beschäftigten sind aus dem Bild nicht abzulesen, für viele Lohnabhängige dürfte aber das Stichwort zu diesem genügend Denkanreize setzen.
 
Auf dem Bild steht der blaue Briefkasten der "Citipost" als Hinweis auf diese Entwicklung; dieses Signal wäre sicher deutlicher, gäbe es ein "Vorher-"Bild mit einer (oder sogar zwei) Telephon-Zelle und den beiden Briefkästen der Post. Ein solches Bild ist im Nachhinein nicht machbar. - Machbar wären Bilder, die die Fahrzeuge und Beschäftigten zeigen, wie sie die Briefkästen leeren. Dabei wird in vielen Fällen kein "Postauto" mehr auftauchen. - Eine ebenfalls machbare Aufnahme wäre eine "Parade" von Paketzustellfahrzeugen, wenigstens als "Päarchen" oder eine Bilderserie von Einzelfahrzeugen von DHL, UPS, DPD etc.
 

Rolle des Fotografen: eine Bilderserie "Privatisierung der Post" setzt Kenntnisse über den gesellschaftlichen Prozess voraus, kann aber ohne unmittelbaren Kontakt zu den Betroffenen umgesetzt werden. Bilder aus dem "Innenleben" der Postdienste sind nur mit Zustimmung der Unternehmer mach- und publizierbar und damit kaum verfügbar. - Die Bilderserie kann gut als Einstieg in eine Debatte über Privatisierung und "innere Landnahme" dienen; in einer Diskussion mit Betrachtern der Bilder kann die Figur des "Hinterfragens" verdeutlicht werden: man sieht, das etwas da ist. Warum ist es da? Wie ändert es sich? etc

 
Das Kontrastbild
 
Anzeige aus dem Göttinger Tageblatt vom 19. Februar 2016. Wikipedia-Artikel zur Citipost
 
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